Aktuelles
Pendlerpauschale begegnet beim Bundesfinanzhof erhenblichen verfassungsrechtlichen Bedenken
Zusammenfassung:
Der BFH teilt die massiven Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Pendlerpauschale. Der Gesetzgeber hatte diese Neuerung trotz erheblicher Proteste eingeführt. Berücksichtigt werden danach ab 2007 nur noch die Fahrtkosten zur Arbeit ab dem 21. Kilometer. Die ersten 20 Kilometer sollen nach dem Werkstorprinzip dem privaten Vermögensbereich zuzurechnen sein, obwohl eigentlich Werbungskosten zur Einkunftserzielung entstehen.
Ob dies tatsächlich verfassungskonform ist, muss nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klären. In Karlsruhe liegen zwei Klagen zum Problem vor (Az. 2 BvL 1/07 und 2/07).
Praxistipp: Für die Arbeitnehmer, die keine Freibeträge auf Ihren Lohnsteuerkarten beantragt heben, sondern die die Pendlerpauschale lediglich über Ihre Einkommensteuererklärung geltend machen, sind die Fahrkosten wie in den Vorjahren in die Erklärung aufzunehmen und ein entsprechender Steuerbescheid abzuwarten, gegen den dann vorzugehen ist. Dies gilt für Gewerbetreibende in ähnlicher Form, natürlich unter Berücksichtigung von etwaigen Pkws im Betriebsvermögen, 1 % Regelung, Umsatzsteuer...
Im Folgetext finden sie den genauen Wortlaut der Entscheidung des BFH:
BUNDESFINANZHOF
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das ab 2007 geltende Abzugsverbot des § 9 Abs. 2 EStG betreffend Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verfassungsgemäß ist.
2. Ein Beitritt des Bundesministeriums der Finanzen zu einem vor dem Bundesfinanzhof anhängigen Beschwerdeverfahren ist jedenfalls dann unzulässig, wenn es sich um eine Sache wegen Aussetzung der Vollziehung handelt.
EStG 2007 § 9 Abs. 2 FGO § 122 Abs. 2
Beschluss vom 23. August 2007 - (Az. VI B 42/07)
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 2. März 2007 7 V 21/07 (EFG 2007, 773)
Gründe
I. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Eheleute und an unterschiedlichen Orten nichtselbständig tätig. Mit ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung für das Jahr 2007 beantragten sie, Aufwendungen des Ehemannes für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale) als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, wobei sie die volle Entfernung von 61 km ansetzten. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) ermittelte den Freibetrag entsprechend der ab 2007 geänderten Gesetzeslage nach der um 20 km gekürzten Entfernung. Gegen den insoweit ablehnenden Bescheid über die Lohnsteuer-Ermäßigung 2007 legten die Antragsteller erfolglos Einspruch ein. Ihren Antrag, im Wege der Aussetzung der Vollziehung (AdV) den beantragten Freibetrag vorläufig in voller Höhe einzutragen, lehnte das FA ab.
Das Finanzgericht (FG) gab dem daraufhin bei ihm gestellten Antrag auf AdV statt und ließ die Beschwerde zu. Es bestünden ernstliche Zweifel, ob § 9 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652, BStBl I S. 432) verfassungsgemäß sei, soweit die Vorschrift den steuerlichen Abzug der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die ersten 20 km ausschließe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei der vorläufige Rechtsschutz zwar ausnahmsweise dann einzuschränken, wenn die Gemeinwohlbelange des Staates (etwa durch drohende staatliche Haushaltsnotlage) berührt seien. Anhaltspunkte hierfür seien im Streitfall jedoch nicht erkennbar. Der Aussetzungsbeschluss des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 773 veröffentlicht.
Mit seiner Beschwerde bringt das FA vor, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids sei nicht ernstlich zweifelhaft, da die Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstoße. Auch bei Vorliegen ernstlicher Zweifel käme die AdV nicht in Betracht, weil dann das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung höher zu bewerten wäre als das Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren sogleich unter Hinweis auf § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Der Beitritt des BMF sei auch in Beschwerdeverfahren zulässig und könne wegen der eventuellen Breitenwirkung einer Beschwerdeentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zweckmäßig sein. Im Streitfall lägen ernstliche Zweifel im Sinne der Vorschriften über die AdV nicht vor, da die Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG mit dem Übergang zum "Werkstorprinzip" nicht verfassungswidrig sei. Selbst wenn ernstliche Zweifel zu bejahen wären, könnte AdV nicht gewährt werden, weil dies eine geordnete Haushaltsführung gefährden würde.
Die Antragsteller halten den Beitritt des BMF zum Beschwerdeverfahren für unzulässig.
II. Der Beitritt des BMF zu dem Beschwerdeverfahren war abzulehnen.
1. Beteiligter an einem Revisionsverfahren vor dem BFH ist gemäß § 122 Abs. 1 FGO, wer bereits am vorangegangenen Klageverfahren --als Kläger, Beklagter oder Beigeladener-- beteiligt war. Nach § 122 Abs. 2 FGO kann das BMF die Stellung eines am Revisionsverfahren Beteiligten dadurch erlangen, dass es diesem Verfahren beitritt. Ein Beitritt des BMF zu einem Beschwerdeverfahren in einer Aussetzungssache ist nach dem Wortlaut der Vorschrift und ihrer Stellung im Gesetz nicht vorgesehen. Auch Sinn und Zweck des § 122 Abs. 2 FGO erfordern in einer Prozesslage wie der vorliegenden einen Beitritt des BMF nicht. Die Regelung soll es dem BMF ermöglichen, sich jederzeit in ein anhängiges Verfahren über eine Revision einzuschalten und entscheidungserhebliche rechtliche Gesichtspunkte geltend zu machen (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter B. III.) sowie zur sachgerechten Entscheidung in ein Verfahren Material einzuführen, das sonst nicht oder nur schwer zugänglich wäre (BFH-Urteil vom 2. Juni 1992 VII R 35/90, BFH/NV 1993, 46). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erwägungen für andere Beschwerdeverfahren Gültigkeit beanspruchen können. Sie greifen jedenfalls nicht ein, wenn es wie im Streitfall um eine Beschwerde gegen einen Beschluss des FG geht, der eine AdV zum Gegenstand hat. Denn hierbei handelt es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, das --insbesondere bei der vorläufigen Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte-- ein Eilverfahren ist und in der Regel nur die Bewertung erfordert, ob an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ernstliche Zweifel bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO). Hierfür bedarf es der Beteiligung des BMF nicht. Für eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Revision und damit des § 122 Abs. 2 FGO besteht vor diesem Hintergrund kein Anlass.
2. Der BFH hat allerdings in der Vergangenheit mehrfach in Beschwerdeverfahren entschieden, zu denen das BMF seinen Beitritt erklärt hatte (z.B. Beschlüsse vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454; vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637; vom 23. Juni 1993 X B 134/91, BFHE 172, 9, BStBl II 1994, 38; vom 3. Juli 1995 GrS 3/93, BFHE 178, 11, BStBl II 1995, 730). In den genannten Fällen hat der BFH jedoch weder das BMF formell zum Beitritt aufgefordert noch eine Entscheidung zur Zulässigkeit des Beitritts getroffen, sondern diesen jeweils nur faktisch hingenommen. Daran ändert auch nichts die Äußerung in dem Beschluss in BFHE 172, 9, BStBl II 1994, 38, das BMF sei dem (Beschwerde-)Verfahren "gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten". Da bisher keine Entscheidungen zu der vorbezeichneten Rechtsfrage vorliegen, ist der beschließende Senat nicht nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Divergenz zur Vorlage an den Großen Senat verpflichtet (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 11 Rz 11).
3. Die Ablehnung des unzulässigen Beitritts erfordert im vorliegenden Fall keine Zwischenentscheidung (vgl. bezüglich des Beitritts zum Revisionsverfahren Gräber/Ruban, a.a.O., § 122 Rz 4), sondern erfolgt im Beschwerdeverfahren durch Beschluss.
III. Die Beschwerde ist unbegründet; sie war daher --ohne Präjudiz für die Hauptsache-- zurückzuweisen (§ 132 FGO). Das FG hat zu Recht im Wege der AdV das FA verpflichtet, den beantragten Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte des Antragstellers einzutragen.
1. Zu den Beträgen, die im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können, gehören gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG Werbungskosten, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anfallen, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen. Da nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in der ab 2007 geltenden Fassung --im Gegensatz zu der bis dahin bestehenden Gesetzeslage-- die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich keine Werbungskosten sind und erst ab dem 21. Kilometer der Entfernung "wie Werbungskosten" behandelt werden, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung der nach der vollen Entfernung berechneten Fahrtaufwendungen auf der Lohnsteuerkarte des Antragstellers nicht vor.
2. Lehnt das FA die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ganz oder teilweise ab, so handelt es sich dabei um einen vollziehbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz durch AdV in Betracht kommt (z.B. BFH-Beschluss vom 29. April 1992 VI B 152/91, BFHE 167, 152, BStBl II 1992, 752). Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 361 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung --AO--, § 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann der Fall, wenn bei einer summarischen Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die (abgesehen von unklaren Tatfragen) Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken. Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen; es genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 89, m.w.N.). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351, m.w.N.). An die Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als beim Einwand fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschluss in BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454).
3. Im Streitfall ist das FG zutreffend von ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 EStG n.F. ausgegangen, der die Grundlage des angefochtenen Bescheids bildet. Diese Zweifel sind augenscheinlich, da die Frage in der Literatur, wie vom FG in seinem Beschluss wiedergegeben, kontrovers diskutiert wird (vgl. außerdem z.B. v. Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 40 ff.; Tipke, Betriebs-Berater 1907, 1525; Micker, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 1145 und Wernsmann, DStR 2007, 1149) und in der Rechtsprechung zu unterschiedlichen Entscheidungen geführt hat. Das Niedersächsische FG (Beschluss vom 27. Februar 2007 8 K 549/06, EFG 2007, 690) sowie das FG des Saarlandes (Beschluss vom 22. März 2007 2 K 2442/06, EFG 2007, 853) haben in mit dem Streitfall vergleichbaren Klageverfahren § 9 Abs. 2 EStG n.F. als verfassungswidrig angesehen und nach Art. 100 Abs. 1 GG die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt (Aktenzeichen des BVerfG 2 BvL 1/07 und 2 BvL 2/07). Dagegen haben --ebenfalls in Verfahren der Lohnsteuer-Ermäßigung-- das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 7. März 2007 13 K 283/06), das FG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 23. Mai 2007 1 K 497/06) und das FG Köln (Beschluss vom 29. März 2007 10 K 274/07, EFG 2007, 1090) die Neuregelung der "Pendlerpauschale" als mit dem GG vereinbar beurteilt. Diese Verfahren haben zu Revisionen (VI R 17/07 und VI R 27/07) und einer Beschwerde (VI B 57/07) geführt, die bei dem beschließenden Senat anhängig sind. Da im Schrifttum beachtliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung erhoben werden, einander widersprechende Entscheidungen der Finanzgerichte vorliegen und die Streitfrage höchstrichterlicher Klärung bedarf, ist bereits deshalb das Vorliegen von verfassungsrechtlichen Zweifeln als Voraussetzung der AdV zu bejahen.
4. Der Anspruch der Antragsteller auf effektiven Rechtsschutz tritt nicht hinter das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft zurück.
a) Im Falle von ernstlichen Zweifeln hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift ist nach langjähriger Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als erforderlich angesehen worden. Danach ist eine Interessenabwägung zwischen der einer AdV entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine AdV sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen geboten (z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.). Diese vom BVerfG bestätigte (Beschluss vom 3. April 1992 2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 726) und im Schrifttum überwiegend kritisierte (s. BFH-Beschluss in BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663) Rechtsprechung ist allerdings in jüngerer Zeit dahingehend modifiziert worden, dass die staatlichen Haushaltsinteressen in der Abwägung weniger stark berücksichtigt werden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 96; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 361 Rz 14).
b) Der Senat lässt offen, ob er sich der vorgenannten Rechtsprechung anschließen könnte, die ein besonderes Interesse an der AdV als erforderlich ansieht. Denn jedenfalls steht im Streitfall dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller --entgegen der Auffassung des FA-- ein überwiegendes öffentliches Interesse, insbesondere das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung, nicht entgegen. Es ist offensichtlich, dass die Kosten der Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, um deren (vorläufige) steuerliche Anerkennung gestritten wird, jedenfalls nach bisherigem Verständnis für den Antragsteller beruflich veranlasst sind. Sie sind zur Erwerbssicherung unvermeidlich, denn "wenn der Erwerbende sich nicht zu seiner Arbeitsstelle begibt, so verdient er auch nichts" (aus einer Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, zitiert nach Tipke, Der Betrieb 2007, 1525, 1529). Das insofern nahe liegende Aussetzungsinteresse der Antragsteller wird dadurch verstärkt, dass das BVerfG, falls es im Sinne der oben genannten Vorlagebeschlüsse entscheiden sollte, nach seiner bisherigen Praxis möglicherweise nicht die Nichtigkeit des § 9 Abs. 2 EStG n.F. feststellen, sondern die Vorschrift lediglich als grundgesetzwidrig ansehen und dem Gesetzgeber mit geräumiger Frist eine Änderung für die Zukunft aufgeben könnte. Um demgegenüber den Rechtsschutzanspruch des Antragstellers zurücktreten zu lassen, müsste das --in der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 2 EStG n.F. genannte-- Ziel der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auf andere Weise als durch Belastung allein einer Gruppe von Steuerpflichtigen nicht zu erreichen sein. Hierfür liegen dem Senat jedoch für die Prüfung im summarischen Verfahren keine Erkenntnisse vor. Der Hinweis des FA auf die Größenordnung der mit der Neuregelung verbundenen Steuermehreinnahmen ist nicht geeignet, das öffentliche Interesse als vorrangig zu beurteilen. Denn abgesehen davon, dass sich die Einnahmesituation der öffentlichen Hand aufgrund der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung --gerichtsbekannt-- derzeit als positiv darstellt, würde der Haushaltsvorbehalt jeden (legislativen) Verfassungsverstoß mit genügender finanzieller Breitenwirkung sanktionieren. Das wäre ein "rechtsstaatlich unerträgliches Ergebnis" (so Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 97), da im Ergebnis damit der individuelle Rechtsschutz auf der Strecke bleiben würde. Im Übrigen werden durch die Gewährung der AdV Risiken für die öffentliche Haushaltswirtschaft, die mit der Verplanung bzw. Verausgabung möglicherweise verfassungswidriger Steuern verbunden sind, gerade vermieden (Seer, Steuer und Wirtschaft 2001, 3, 17 f., m.w.N.).
|